Till van Rahden
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Wir spüren seit Februar, dass die Pandemie auch unser demokratisches Zusammenleben auf die Probe stellt. Wie wir auf diese Herausforderung reagieren, ist nicht allein eine wissenschaftliche, sondern auch eine politische
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Wir spüren seit Februar, dass die Pandemie auch unser demokratisches Zusammenleben auf die Probe stellt. Wie wir auf diese Herausforderung reagieren, ist nicht allein eine wissenschaftliche, sondern auch eine politische Frage. Seit Monaten hören wir Tugendappelle und leben mit Entscheidungen, die unser demokratisches Zusammenleben verändern. Ob diese auf Irrwege führen oder Wege aus der Krise bahnen, ist offen. Es geht um medizinisch oder ökonomisch, aber vor allem auch politisch kluge Schritte. Je länger die Krise andauert, desto leidenschaftlicher sollten wir darüber streiten. Gerade in der „Stunde der Exekutive“ sollte jede Anordnung sollte den Geist der Demokratie atmen.
Die Maßnahmen gegen die Pandemie verschärfen die soziale Ungleichheit und Spaltung. Dass wir das öffentliche Leben stillgestellt, die Orte und Räume der demokratischen Begegnung geschlossen haben, hat die Schwächsten in unserer Gesellschaft am Härtesten getroffen: Flüchtlinge, legale und illegale Migranten, Obdachlose, psychisch Kranke, Kinder, die unter psychischer und physischer Gewalt leiden. Dass wir unser Zuhause kaum verlassen konnten, dass Spiel- und Sportplätze sowie Bibliotheken und Museen geschlossen waren, traf eine Familie mit kleinen Kindern in einer Zwei-Zimmer-Wohnung anders, als in einem Reihenhaus mit Garten und Tischtennisplatte. Homeschooling hinterlässt weniger Schaden in einem Haushalt mit drei Computern und einem Druckern, als dort, wo es nur ein funktionierendes Smartphone, aber keine Rückzugsräume gibt. Hier ist Fantasie gefragt, in den Parlamenten, der Exekutive und den Gerichten, der Öffentlichkeit und in unserem Alltag. Suchen wir nach neuen Wegen, wie wir trotz des gebotenen Abstands die „ungesellige Geselligkeit“ aller Bürgerinnen und Bürger pflegen. Je mehr öffentliche Räume wie Parks und Sportplätze, Bibliotheken und Museen wir zugänglich machen, desto eher können wir das Gebot der physischen Distanz einhalten. Je länger diese Orte ebenso wie Schulen und Geschäfte geöffnet sind, desto leichter können wir uns aus dem Weg gehen. Hier geht es nicht vorrangig um Arbeitsplätze oder die Wirtschaft. Ohne die Kreuzung sozialer Kreise versiegt die Lebenskraft der Demokratie.
Veranstaltung auf deutsch.
Kommentar: Nicolas Hubé (Université de Lorraine)
Anmeldung (via Zoom): anmeldung@cmb.hu-berlin.de
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Zeit
7. Dezember 2020 10:00 - 12:00(GMT+01:00)