18. Marx-Herbstschule

Fr24Okt(Okt 24)17:00So26(Okt 26)13:0018. Marx-HerbstschuleAspekte einer Kritik des Staats bei MarxVeranstaltungsartWorkshop

Details

Die Marxherbstschule widmet sich in diesem Jahr einem Thema, dessen Behandlung schon lange im Raum stand: der Kritik des Staats bei Marx. Diese Kritik wurde bereits in zwei Marxfrühjahrsschulen gestreift, die sich mit einer marxistischen Rechtskritik bei Paschukanis und Althusser beschäftigten, aber der Staat selbst war noch nicht eigenständiges Thema einer Marxherbstschule. Der Hauptgrund ist, dass es bei Marx keine ausgearbeitete Theorie oder Kritik des Staates gibt. Er hat sich in verschiedenen Phasen in ganz unterschiedlichen Texten zwar mit Aspekten des Staates beschäftigt, ist aber nicht zu einer eigenständigen Ausarbeitung gekommen.

Es gibt Aussagen von Marx zur Spaltung der bürgerlichen Gesellschaft in Citoyen und Bourgeois, also in Staatsbürger und Privatmensch, zur Frage der Übernahme oder der Abschaffung der Staatsmacht und zur Rolle des Staats für die kapitalistische Ökonomie. Es gibt eine Kritik der bürgerlichen Ideale und ihrer philosophischen Selbstvergewisserung, und es gibt auch eine Kritik an den reformistischen Hoffnungen und Illusionen in der Arbeiter*innenbewegung und in ihren Organisationen und Parteien.

Wir möchten zusammen mit euch aus einschlägigen Texten von Marx diejenigen Passagen lesen und diskutieren, in denen solche Aspekte einer Kritik des bürgerlichen Staates hervortreten. Im Mittelpunkt steht die Schrift Kritik des Gothaer Programms (1875), die dieses Jahr 150 Jahre alt wird und in der Marx bestimmte Illusionen in der Politik der damaligen Arbeiterpartei kritisiert. Daneben lesen wir einen Abschnitt aus Der Bürgerkrieg in Frankreich (1871), in dem Marx die Pariser Kommune und ihren Kampf gegen die Staatsmacht analysiert, sowie Passagen aus dem Kapital Bd. 1 (1867), in denen es um die Bedeutung des Staates für die kapitalistische Ökonomie geht. Es stehen damit Schriften des „späten Marx“ im Mittelpunkt. Diese späten Schriften nach dem Kapital haben in jüngster Zeit verstärkt Aufmerksamkeit erfahren, weil sich Marx hier anscheinend neuen Fragen zuwendet: Ökologie, Kolonialismus und auch des Übergangs von der kapitalistischen in die sozialistische Gesellschaft – und mithin der Frage nach der Rolle des Staates.

Im Rahmenprogramm wird Alex Demirović, der jüngst Marx als Demokrat oder: Das Ende der Politik veröffentlicht hat, Marx als Demokraten wie auch als Kritiker der Demokratie vorstellen.

Und in der Abschlussveranstaltung am Sonntag wird es um die Kritik des Staates sowie am Staatsverständis bei Marx und im Marxismus aus der Sicht der schärfsten Kritikerin des Staates gehen, jener des Anarchismus.

Mit den Teamer*innen: Dimitra Alifieraki, Ozeni AthanasiadouValeria BruschiJohanna Dankers, Anneli Echterhoff, Frank EngsterChristian FringsEhrenfried GalanderThomas GehrigTatjana GossenAndré Kistner, Christian MeyerNadja RakowitzBafta SarboChristian SchmidtRobert StandfestJenny SimonMatthias Ubl, Birgit Ziener.

Programm

Freitag, 24.10.2025
17–18:30 Uhr:
Vorstellung des Readers und Einführung ins Thema (mit Nadja Rakowitz und Andre Kistner)
19–21 Uhr:
1. AG-Phase

Samstag, 25.10.2025
10–13 Uhr: 2. AG-Phase
13–14 Uhr: Mittagessen
14–17 Uhr: 3. AG-Phase
19–21 Uhr: Alex Demirović: Marx als Demokrat oder: Das Ende der Politik
Karl Marx kritisierte die liberale Demokratie als Form der Herrschaft der Bourgeoisie und war zugleich radikaler Verfechter demokratischer Selbstbestimmung. Damit brachte er die grundlegende Ambivalenz der Demokratie auf den Punkt: In ihrem Namen wird Herrschaft ausgeübt und zurückgewiesen. Marx vollzieht diese Ambivalenz in seinem Denken selbst nach – historisch wie theoretisch: Er demonstriert die historischen Begrenzungen demokratischer Konzepte und Praxis und deren zukünftige Möglichkeiten bis zur äußersten Entfaltung. Für ihn gehört in eine radikale Perspektive der Emanzipation auch, dass der Begriff der Demokratie sich selbst historisch überflüssig macht. Im Vortrag soll gezeigt werden, wie sich Karl Marx’ Verständnis von Demokratie vor dem Hintergrund politischer Enttäuschungen und Analysen im Lauf der Zeit verändert hat. Es sind vor allem Marx’ grundlegende Überlegungen zum Kapital und zur Stellung von Freiheit und Gleichheit, die sein Verständnis von Demokratie geprägt haben.

Moderation: Frank Engster

Sonntag, 26.10.2025
9–11 Uhr: 4. AG-Phase für Frühaufsteher*innen
11-13 Uhr: Jonathan Eibisch: Anarchistische Staatstheorie
Wenn Marx als Radikaldemokrat dargestellt wird, kann zugleich die Frage aufgeworfen werden, ob es ein emanzipatorisches Jenseits der radikalen Demokratie geben kann. Mit der ihm wesentlichen Skepsis und Kritik der Politik, begibt sich die Strömung des Anarchismus auf eine Suche danach. Dabei zeigt sich, dass sich die grundlegenden Analysen im marxistischen und anarchistischen Denken stark ähneln. Die Schlussfolgerungen, die aus ihnen gezogen werden, unterscheiden sich hingegen hinsichtlich der Grundannahmen über Politik, Staat, Subjekte, Geschichte, Transformation und Zielvorstellungen. Die anarchistische Staatstheorie ist wie jene von Marx aus dem Kontext und durch das Zusammentragen verschiedener Positionen dazu zu rekonstruieren. Mit ihr wird Staatlichkeit als Herrschaftsverhältnis begriffen, durch welches politische Macht monopolisiert, zentralisiert, autoritativ gesetzt und hierarchisch strukturiert wird. Den modernen Staat mit demokratischen Elementen kennzeichnet das Gewaltmonopol, die Bürokratie, die Nation und seine Ideologie. In dem in ihm Legislative, Exekutive, Judikative aufgeteilt werden, Parteien institutionalisiert, Rechte für Bürger*innen vergeben und Partizipation ermöglicht werden, perfektionierte sich die politische Herrschaft. Doch am Ausgangspunkt und im Inneren des Staates steht mit dem Konzept der Souveränität ein klarer Herrschaftsanspruch, der letztendlich nicht begründet werden kann. Dieser Sicht nach ist der Staat nicht lediglich ein verwaltender „Ausschuss der Bourgeoisie“ und leitet sich seine spezifisch-historische Form nicht primär aus den ökonomischen Verhältnissen ab. Die Konzeption einer „relativen Autonomie“ kommt dem anarchistischen Verständnis nach schon näher. Darüber hinaus ist im Anarchismus zum einen die Institutionen-Kritik und andererseits die ethischen Kritik am Herrschaftscharakter des Staates stärker ausgeprägt. Der Fluchtpunkt einer Auflösung des Staates bleibt im Rahmen des Marxismus ein hypothetisches Ideal. Anarchist*innen streben hingegen an, die Staatsmacht auf direkte Weise zu begrenzen, zu konfrontieren und Autonomie von Staatlichkeit zu gewinnen. Insofern Staatlichkeit ihre Form, ihren Charakter und ihre Ausdehnung auch heute permanent verändert, mag das anarchistische Staatsverständnis zu ihrer Analyse produktiv beitragen. Vor allem aber stellt der Anarchismus Organisationsansätze, eine Ethik und Ideologie von Aktiven aus emanzipatorischen sozialen Bewegungen dar, woraus die anarchistische Theorie entwickelt wird.
Moderation: Birgit Ziener

Eintritt: 15,00 € / ermäßigt: 10,00 € (inkl. Verpflegung)

Eintritt Abendveranstaltung und Vortrag am Sonntag: 2,00 € (entfällt für Teilnehmer*innen der Marxherbstschule)

Mehr Infos und Reader: www.marxherbstschule.net

Die 18. Marx-Herbstschule ist eine Kooperationsveranstaltung von Helle Panke e.V., der Rosa Luxemburg Stiftung, dem Berliner Verein zur Förderung der MEGA-Edition e.V.

Mit freundlicher Unterstützung von der Zeitschrift OXI. Wirtschaft anders denken und dem Karl Dietz Verlag Berlin.

Kosten: 15 Euro / 10 Euro ermäßigt

Anmeldung / Registration 

Zeit

24. Oktober 2025 17:00 - 26. Oktober 2025 13:00(GMT+02:00)

Rosa-Luxemburg-Stiftung

Straße der Pariser Kommune 8A, 10243 Berlin

Rosa-Luxemburg-Stiftung