Dany Nobus

Fr17Nov19:00Fr21:00Dany Nobus“Laienanalyse“ 100 Jahre später: Ein kritischer Rückblick auf historische Entwicklungen und zeitgenössische PraktikenVeranstaltungsartVortrag

Details

Moderation: Alex Janda, Mai Wegener

Eintritt: 10€, ermäßigt 5€.

Der Vortrag findet im Hybridformat statt.
Bitte um Anmeldung unter sekretariat@psybi-berlin.de

Auch wenn in der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung einige prominente praktizierende Psychoanalytiker keine ärztliche Ausbildung hatten (so August Aichhorn, Lou Andreas-Salomé, Otto Rank und Anna Freud), wurde die Frage der „Laienanalyse“ erst durch den Fall von Theodor Reik, dem 1925 offiziell das Berufsverbot erteilt wurde, nachdem einer seiner Patienten ihn der Kurpfuscherei beschuldigt hatte, zu einem ernsthaften Thema für die psychoanalytische Ausbildung. In diesem Vortrag werde ich die Auswirkungen des Reik-Falls auf die (Neu-) Organisation psychoanalytischer Ausbildungsprogramme in Europa und jenseits des Atlantiks nachzeichnen, mich dabei auf einige neue Archivmaterialien stützen und konkrete Fälle hervorheben, wie den von Margaret Clark-Williams in Frankreich. Ich werde auch darauf eingehen, inwieweit Bewerber für eine psychoanalytische Ausbildung mit einem medizinischen Abschluss oder einem Abschluss aus den sogenannten „angewandten Gesundheitswissenschaften“ (klinische Psychologie, Krankenpflege, Sozialarbeit) in modernen psychoanalytischen Ausbildungsinstituten weiterhin vorrangig behandelt werden. Ich werde dabei die oft implizite, unausgesprochene Begründung hinter den „Zulassungskriterien“ für die psychoanalytische Ausbildung in Frage stellen. Im Laufe meines Vortrag werde ich also das Argument entwickeln, dass die Frage der Laienanalyse, wie sie durch den Fall Reik Mitte der 1920er Jahre aufgeworfen wurde, schon seit geraumer Zeit gelöst ist, aber im Laufe der Jahre eine Reihe viel unlösbarerer Fragen aufgetaucht sind, die weitgehend ungelöst bleiben. Wenn man die psychoanalytische Praxis auf Personen mit einem medizinischen Abschluss beschränkt, sind die Zulassungskriterien für die Ausbildung ziemlich ungerechtfertigt, aber zumindest sind sie klar. Wenn man die psychoanalytische Ausbildung jedem zugänglich macht, unabhängig von seinem (akademischen) Hintergrund, bedeutet das nicht, dass es keine Zugangskriterien mehr gibt, sondern vielmehr, dass es viel schwieriger wird, sie zu formulieren und noch schwieriger, sie rigoros und konsequent anzuwenden. Im Jahr 1967 versuchte Lacan dieses Dilemma zu lösen, indem er feststellte, dass nur die persönliche Analyse des Antragstellers darüber entscheiden kann, ob jemand für die Praxis geeignet ist. Dadurch verschiebt sich die Frage jedoch von den Zulassungs- oder Eintrittskriterien zu „Ergebnismaßen“, deren Formulierung noch schwieriger ist und die zu zahlreichen Krisen in der psychoanalytischen Gemeinschaft geführt haben. Fast einhundert Jahre nachdem Freud „Die Frage der Laienanalyse“ geschrieben hat, ist die Frage, was jemanden zur Ausübung der Psychoanalyse qualifiziert, deshalb so offen wie immer.

Prof. Dr. Dany Nobus (Brunel Universität London) ist Klinischer Psychologe, psychoanalytischer Psychotherapeut, ehemaliger Vorsitzender und Mitglied des Freud-Museums London und Gründungsmitglied des British Psychoanalytic Council. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die Geschichte, Theorie und Praxis der Psychoanalyse, die Geschichte der Psychiatrie, die Überschneidungen zwischen Psychoanalyse, Philosophie und Kunst sowie die Ideengeschichte, insbesondere mit Blick auf die Renaissance und die frühe Neuzeit. 2017 wurde Dany Nobus für seine herausragenden Beiträge zur psychoanalytischen Geschichtsschreibung mit der Sarton-Medaille der Universität Gent ausgezeichnet. Aktuell schreibt er an einer neuen Lacan-Biografie – mit Fokus auf Lacan’s klinischer Arbeit und seiner Über-Setzung in andere Sprachregionen.

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Zeit

17. November 2023 19:00 - 21:00(GMT+01:00)

Psychoanalytische Bibliothek Berlin

Geisbergstraße 29, 10777 Berlin

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