Juliane Küppers
Details
Die Klassische Gräzistik am Institut für Griechische und Lateinische Philologie lädt ab dem 11.11.2024 in fünf Sitzungen jeweils montags, 18:15 Uhr, im Hörsaal 2 zum 14. Philosophischen Propädeutikum ein.
Details
Die Klassische Gräzistik am Institut für Griechische und Lateinische Philologie lädt ab dem 11.11.2024 in fünf Sitzungen jeweils montags, 18:15 Uhr, im Hörsaal 2 zum 14. Philosophischen Propädeutikum ein.
Das Thema lautet diesmal:
Philosophie als Medizin in der Antike
Sokrates stellte einst erstaunt fest, dass die Menschen weit mehr Energie in die Heilung körperlicher Krankheiten investierten als in die Pflege der Seele, obwohl diese doch weitaus gefährdeter sei. Diese Einsicht legte den Grundstein für eine lange Tradition, in der die Philosophie als Medizin für die Seele verstanden wird. Doch was bedeutet es überhaupt, von einer „kranken“ Seele zu sprechen? Bevor Heilung möglich ist, bedarf es einer Diagnose: Was genau versteht die antike Philosophie unter seelischen Krankheiten, und warum gelten diese als gefährlicher und häufiger als körperliche Leiden? Vor allem aber: Welche auch heute noch wirksamen Heilmittel kann die Philosophie anbieten – und: vermag sie nicht nur zu heilen, sondern auch vorzubeugen?
Im diesjährigen Philosophischen Propädeutikum gehen wir diesen Fragen nach und untersuchen, inwiefern die Philosophie zur Stärkung und Heilung der Seele beitragen kann. Wir beleuchten die unterschiedlichen Diagnosen und Therapiekonzepte antiker Denkschulen und fragen: Welche Vorstellungen einer gesunden Seele wurden entwickelt? Welche seelischen Krankheitsbilder galten als bedrohlich, und welche philosophischen Mittel wurden zur Heilung empfohlen?
Gemeinsam mit den Philosophen der Antike betrachten wir, wie philosophische Einsichten uns helfen können, unser inneres Gleichgewicht herzustellen und zu bewahren. In unseren Vorträgen und Diskussionen erfahren Sie, warum übermäßiges Lachen krank machen kann, worauf man bei Lust und Verlangen achten sollte, wie die bittere Medizin der Philosophie so vermittelt werden kann, dass sie annehmbar ist, und welchen Trost die Philosophie spenden kann, wenn uns das Schicksal hart trifft.
In einer Reihe von Vorträgen und Seminaren erkunden wir die Heilkraft der Philosophie bei ausgewählten Denkern von Platon und Aristoteles über Epikur, Lukrez und Galen bis hin zu Boethius. Wir laden Sie ein, die Verbindung zwischen Philosophie und Medizin in der Antike neu zu entdecken und zu ergründen, welche Lehren sie uns für die Pflege unserer eigenen Seele bieten kann.
(Prof. Dr. Christian Vogel)
Zur Veranstaltungsreihe
Die Philosophischen und Literaturwissenschaftlichen Propädeutika, veranstaltet von der Klassischen Gräzistik, finden seit 2010 an der Freien Universität Berlin traditionell im Frühjahr (Februar bis März) und Winter (November bis Dezember) als Vorlesungs- und Seminarreihe statt und werden in Kooperation mit dem Aristotelismus-Zentrum Berlin veranstaltet. Sie bieten mit Diskussionen an konkreten Texten und Vorträgen zu komplexeren Fragestellungen aus der Antike und Spätantike Einführungen in geisteswissenschaftliche Kernthemen aus der Literaturwissenschaft und Philosophie. Neben Schülerinnen und Schülern der Oberstufe sind interessierte Studierende und Gäste herzlich eingeladen.
Juliane Küppers: „Der Honig und die bittere Medizin. Epikureische Philosophie und ihre poetische Schönheit bei Lukrez als Therapie für mentale Gesundheit in Krisenzeiten“
Zerfallserscheinungen des politischen Systems, Ohnmachtsgefühle gegenüber immer neuen Kriegen, rasanter Fortschritt in die Ungewissheit – so wie während der letzten Jahrzehnte der attischen Demokratie sowie der späten Römischen Republik befinden wir uns auch heute in gesellschaftlichen Umbrüchen. Verzweiflung bis hin zur Desorientierung und sogar Verschwörungsdenken sind Folgen starker psychischer Belastungen derartiger Schwellenzeiten.
Dabei haben wir es auch selbst in der Hand, uns sogar in Krisenzeiten mental von diesen Lasten zu befreien, sagt Epikur, nämlich indem wir erkennen, welche Werte und Bedürfnisse wirklich wichtig sind: ein genügsames aber freudvolles Leben, freundschaftliche Gemeinschaft und eine pragmatische Naturphilosophie ohne Angst vor den Göttern und einem vermeintlichen festgelegten Schicksal.
So wie die zwei anderen maßgeblichen hellenistischen Philosophien – die Stoa und der Skeptizismus – hat auch der Epikureismus vorrangig ein therapeutisches Ziel: die ataraxía, die Seelenruhe oder die Gelassenheit. Um diese zu erlangen, mutet Epikur den Menschen seiner Zeit aber zunächst eine bittere Medizin zu: alle Menschen seien ohne Einfluss der Götter selbstwirksam, also für sich selbst, füreinander in einer solidarischen Gemeinschaft und für ihre Umwelt verantwortlich. Niemand lenkt ihr Schicksal, sie haben es selbst in der Hand.
Diese Philosophie, diese bittere Medizin verinnerlichen zu helfen ist das Ziel des römischen epikureischen Dichters Lukrez. Mit seinem monumentalen Werk De rerum natura – der insbesondere ab der Renaissance wirkmächtigen poetischen Einkleidung der epikureischen Philosophie – streicht er „süßen, gelb fließenden Honig“, den „Honig der Musen“ um den Rand des Bechers mit dem „bitteren Wermut“.
In meinem Vortrag stelle ich Epikurs philosophische Therapie für die Seele vor, wie ihre poetische Ästhetik bei Lukrez eine zusätzliche Heilkraft entwickelt und wie die Schriften beider Philosophen uns auch heute noch zu mehr Resilienz und mentaler Gesundheit verhelfen können.
Ort: Hörsaal 2
Mehr anzeigen
Zeit
2. Dezember 2024 18:00 - 20:00(GMT+01:00)