Mosse-Lecture: Frank A. Ewert
Details
Landleben Wintersemester 2024/25 Zwischen Idylle und Provinz liegt ein weites Feld. Auf der einen Seite sehen sich ländliche Kommunen mit
Details
Landleben
Wintersemester 2024/25
Zwischen Idylle und Provinz liegt ein weites Feld. Auf der einen Seite sehen sich ländliche Kommunen mit vehement sinkenden Bevölkerungszahlen und ›sterbenden Dörfern‹ konfrontiert; andererseits setzt das Versprechen eines ›einfachen‹ und naturnahen Lebens nicht erst seit den Künstlerkolonien der Moderne tiefe Sehnsüchte eines (groß-)städtischen Blicks auf ländliche Räume frei. Dabei ist schon von den frühen Arbeiten der Rural Sociology und ihrem Bemühen um eine differenziertere Analyse ländlicher Gesellschaften am Beginn des 20. Jahrhunderts klar benannt worden, dass rurale Lebenswelten komplexer sind, als die Rede von der Dorfgemeinschaft und das hartnäckige (Vor-)Urteil ihrer Rückständigkeit gegenüber einer städtischen Moderne nahelegt. Tatsächlich eröffnen gerade die historischen Transformationen des Dorfes – und seiner Geschichten – einen neuen Blick auf die Peripherien der Moderne. Erkennbar wird darin, dass ›Land‹ in seiner materiellen räumlichen Struktur als (endliche) Ressource fernab stereotyper Romantisierungen einen zentralen Schauplatz in der Geschichte gesellschaftspolitischer Konfliktlagen und sozialer Ausdifferenzierungen darstellt. Das ›Ländliche‹ geht aus kulturellen Deutungsschemata und Ästhetisierungen hervor, auch ländliche Lebensformen erweisen sich als zutiefst von gesellschaftlichen Dynamiken geprägt.
Im Wintersemester 2024/25 unternehmen die Mosse Lectures diskursive Ausflüge aufs Land und betrachten ländliche Räume als Gegenstand kultureller Imaginationen ebenso wie politischer und ökonomischer Vereinnahmungen: Wie haben sich ländliche Lebensformen in der Moderne gewandelt, wie wurde und wird das ›Ländliche‹ in der Vielzahl seiner konkreten Ausformungen als (zumeist vom städtischen Blick überformtes) Deutungsschema beschrieben und imaginiert? Ist die ›Provinz‹ Austragungsort einer alternativen, anti-metropolitanen Politik? Wo verläuft die Grenze von Stadt und Land als Kultur- bzw. Naturraum – und: gibt es sie angesichts der funktionalen Verbindungen zwischen den Räumen überhaupt? Wie arbeitet die Literatur an der Errichtung, Verschiebung oder Auflösung von Stadt-Land-Grenzen und welche Herausforderungen stellen sich für eine zunehmend in Städten lebende Gesellschaft hinsichtlich der Bedingungen und Grenzen ökologisch nachhaltiger Landwirtschaft?
Frank A. Ewert
Landwirtschaft quo vadis? Perspektiven für eine nachhaltige Transformation des Agrar- und Ernährungssystems
mit Lothar Müller
Donnerstag, den 13. Februar 2025 | 19.15 Uhr | Senatssaal der Humboldt-Universität zu Berlin, Unter den Linden 6, 10117 Berlin
Die Landwirtschaft steht vor enormen Herausforderungen, die viele Bereiche umfassen, wie Ernährungssicherheit, Klimawandel, Degradation natürlicher Ressourcen, Artenschwund, volatile Preise und instabile Lieferketten. Auch künftige Generationen und Menschen im Globalen Süden müssen ausreichend und mit qualitativ hochwertigen Nahrungsmitteln versorgt werden, die nur auf der Basis intakter Ökosysteme erzeugt und bereitgestellt werden können. Nachhaltige Lösungen gehen mit Zielkonflikten einher und erfordern die bestmögliche Nutzung von Synergien.
Historisch betrachtet hat die Landwirtschaft die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft fundamental geprägt, hat aber auch selbst große Veränderungssprünge erfahren und befindet sich gegenwärtig vor dem umfangreichsten Wandel der letzten Jahrhunderte. Der notwendige und dringliche Transformationsprozess des Agrar- und Ernährungssystems verläuft jedoch nur schleppend und kann den wachsenden Anforderungen stets weniger entsprechen. Nicht zuletzt überfordern Größe, Geschwindigkeit und Umfang der Herausforderungen und die Tragweite der notwendigen Veränderungen die beteiligten Akteure aus Politik, Praxis, Forschung, Industrie und Gesellschaft. Dennoch lassen sich Ansätze finden, die einen erfolgreichen Einstieg in den komplexen Transformationsprozess versprechen. Der Vortrag beleuchtet die enormen Herausforderungen der Landwirtschaft und entwirft Perspektiven einer Transformation zu nachhaltigen Agrar- und Ernährungssystemen, die vielfältige Funktionen erfüllen, wie Ernährungssicherheit, den Erhalt von Ökosystemen und Biodiversität und Klimaschutz. Beispielhaft werden Ansätze dargestellt und diskutiert, wie sie den Transformationsprozess beschleunigen können.
FRANK A. EWERT: Agrarwissenschaftler; Professor für Pflanzenbau an der Universität Bonn. Frank A. Ewert leitet das Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF e.V.). Er zählt zu den Highly Cited Researchers im Bereich Agrarwissenschaften und ist unter den Top100 der Reuters »Hot List« der weltweit einflussreichsten Klimawissenschaftlerinnen und -wissenschaftler. Zu seinen Fachgebieten zählen die Nutzpflanzenwissenschaften, die Produktionsökologie, Systemanalyse und die Modellierung von Pflanzenwachstum. Darüber hinaus sind thematische Schwerpunkte seiner Arbeit die Nachhaltigkeitsbewertung sowie die Abschätzung von Folgen und Einfluss des Klimawandels auf Pflanzenproduktionssysteme, Ernährungssicherheit und Ressourcenschutz.
Mehr anzeigen
Zeit
13. Februar 2025 19:15 - 20:45(GMT+01:00)