Mosse Lecture: Norbert Scheuer

Do30Jun19:15Do20:45Mosse Lecture: Norbert ScheuerKleine Flüsse, große Fluten. Szenen vom Hochwasser in der EifelVeranstaltungsartVortrag

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Flüsse sind Schauplätze von Zivilisationsbildung, nationalen Identitätsordnungen und kriegerischen Konflikten, sie sind fließende Erinnerungs- und Projektionsräume sowie hochfrequentierte Handelswege. Sie fungieren als „natürliche“ Grenzen zwischen Staaten und verbinden diese zugleich, weshalb sie seit je als Migrations- und Fluchtwege genutzt werden. Die bis heute währenden Streitigkeiten der Anrainerstaaten Sudan, Ägypten und Äthiopien um den Nil und sein Wasservorkommen, in denen wirtschaftliche Interessen, koloniale Erblasten, aber auch die Herausforderungen des Klimawandels zusammentreffen, sind nur eines von vielen Beispielen für den politischen Druck, dem Flüsse ausgesetzt sind.

Hinzu kommt der ganz konkrete Nutzungsdruck, der durch regulierende wasserbauliche Eingriffe entsteht und von Umweltschützer:innen zunehmend problematisiert wird. An Flüssen lassen sich die Ausmaße des Anthropozäns gut studieren. Flutkatastrophen wie das 2021 geschehene Hochwasser im Ahrtal zeigen, dass es längst nicht nur die großen Ströme, sondern auch deren lokale Verzweigungen sind, die zu Brennpunkten globaler Krisen werden. Die Indienstnahme von Flüssen als politische Grenzzonen kann aber auch zur Entstehung weitgehend unberührter Biosphären beitragen – wie etwa an den Flussauen der Elbe, dem einstigen „Todesstreifen“ der innerdeutschen Grenze, dessen vermintes Gelände ironischerweise ökologische Vielfalt entfalten konnte. Menschen, Flüsse und deren (Evolutions-)Geschichten stehen in Austauschbeziehungen, die erst in Ansätzen erschlossen sind.

Seit je hat die kollektive Einbildungskraft die Flüsse zu Orten der Passage, des Übergangs (ins Jenseitsreich) oder der Initiation (z.B. Taufe) gemacht, Quelle, Flusslauf, Ufer und Mündung in Lebenssymbole verwandelt, den Gewässern Flussgötter, Elementargeister und Nixen zugeordnet. Das Austrocknen und die Überschwemmung als Katastrophenmodi der Flüsse verbinden die aktuellen ökologischen Debatten mit den Mythologien der Flüsse. Ziel der Mosse Lectures im Sommersemester 2022 ist es, das Nachdenken über die raumstrukturierende Dimension der Flüsse, über ihre geographische, geopolitische, wirtschaftshistorische und ökologische Bedeutung mit ihrer Reflexion als Ressource der Selbstdeutung vormoderner und moderner Gesellschaft zu verbinden.

Norbert Scheuer:»Kleine Flüsse, große Fluten. Szenen vom Hochwasser in der Eifel«

– Einleitung und Gespräch: Ulrike Vedder

Donnerstag, den 30. Juni 2022 | 19.15 Uhr | Senatssaal der HU, Unter den Linden 6 (Berlin) bzw. auch als Livestream über unseren YouTube-Kanal

Norbert Scheuer ist ein Schriftsteller, dessen literarische Werke vielfach ausgezeichnet und übersetzt wurden; Scheuer ist ausgebildeter Diplomingenieur und hat einen Abschluss in Philosophie; neben seinen schriftstellerischen Tätigkeiten arbeitete er bis 2017 als Systemprogrammierer; Orte und Gemeinden der Eifel – Scheuers Heimat – wurden in vielen seiner Werke zu Schauplätzen literarischen Geschehens und poetischer Auseinandersetzung, darunter u.a. in »Kall, Eifel« (2005), »Bis ich dies alles liebte« (2011) sowie in seinem jüngsten Roman »Winterbienen« (2019), für den er u.a. mit dem Wilhelm Raabe-Literaturpreis ausgezeichnet wurde.

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Zeit

30. Juni 2022 19:15 - 20:45(GMT+02:00)

HU Berlin

Unter den Linden 6

HU Berlin