Mosse Lectures: Bashir Bashir
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Im Sommersemester 2025 widmen sich die Mosse Lectures dem derzeit stark diskutierten Thema Zionismus. Angesichts der Intensität der jüngeren Debatten um den Nahostkonflikt ist es
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Im Sommersemester 2025 widmen sich die Mosse Lectures dem derzeit stark diskutierten Thema Zionismus. Angesichts der Intensität der jüngeren Debatten um den Nahostkonflikt ist es ein grundlegendes Anliegen der neuen Programmreihe, Aufklärung zu leisten und Einblicke in die Geschichte des Zionismus jenseits der Verengung des Begriffs auf das Projekt der Gründung eines jüdischen Nationalstaats und unter Einbeziehung palästinensischer Perspektiven zu bieten. Worum es gehen soll, ist eine Geschichte des Zionismus vor 1948, in der Perspektiven aus Philosophie, Jüdischen Studien und der Geschichtswissenschaft verdeutlichen, dass es »den« Zionismus nicht gab. Seine Geschichte ist vielstimmig, plural und umwegig. Sie lässt sich als Geschichte der »persönlichen und ideologischen Vielfalt« (Shlomo Avineri) einer nationalen Bewegung verstehen, deren interne Spannungen die Vorgeschichte Israels charakterisieren.
So eindeutig das zionistische Projekt am Ende des 19. Jahrhunderts mit dem doppelten Widerspruch gegen den Antisemitismus und die »Assimilationssucht«, mit Konzepten der »Selbstemanzipation« und »jüdischen Renaissance« einsetzte, so wenig selbstverständlich war die Form seiner politischen Realisierung. Zu den grundlegenden Herausforderungen der zionistischen Bewegung gehörte von Beginn an der innerjüdische Konflikt zwischen dem erklärten Ziel der Errichtung eines jüdischen Nationalstaates und den Traditionen des Judentums als »Volk im Exil«, den Hannah Arendt 1945 auf die Formulierung einer doppelten Loyalität brachte – und als unausweichliches Problem für das zionistische Projekt benannt hat. Über die Palästina-Frage hinaus war einer der Hauptschauplätze dieser Spannung seit dem frühen zwanzigsten Jahrhundert die Diaspora in den Vereinigten Staaten, wo viele Jüdinnen und Juden dem Projekt der Staatsgründung und vor allem dem Gedanken einer Auswanderung in diesen Staat skeptisch gegenüberstanden und Begriffe wie »Exil« oder »Galut« positiv konnotiert waren. Der Blick auf die Geschichte des Zionismus eröffnet eine Vielzahl von Erzählungen, Entwürfen und Einsprüchen, unter denen im frühen zwanzigsten Jahrhundert insbesondere der Kulturzionismus eine vitale Alternative zum Staatsgründungsprojekt war. Ziel der Reihe ist es, diese Vielfalt sichtbar zu machen.
Alle Veranstaltungen finden in englischer Sprache statt. Für die Teilnahme ist eine Anmeldung unter info@mosse-lectures.de erforderlich.
Bashir Bashir
The Holocaust and the Nakba: On the Ethics of Egalitarian Binationalism
mit Thomas Meyer
Donnerstag, den 19. Juni 2025 | 19.15 Uhr | Senatssaal der Humboldt-Universität zu Berlin, Unter den Linden 6, 10117 Berlin
Der Vortrag zeigt die Verbindungen und Verflechtungen zwischen den Erinnerungen und Traumata des Holocaust und der Nakba auf (wenngleich diese Ereignisse von unterschiedlichem Ausmaß und Charakter sind). Es wird argumentiert, dass das gemeinsame Nachdenken über den Holocaust und die Nakba zu einem neuen moralischen und politischen Rahmen in Israel/Palästina führt, nämlich zu einem egalitären Binationalismus. Der Vortrag kommt zu dem Schluss, dass das Beharren des egalitären Binationalismus auf der Vergegenwärtigung affektiver Beziehungen gemeinsamer Zugehörigkeit auf der Grundlage einer Ethik der Gleichheit, der Gleichberechtigung und des Zusammenlebens, umfassende und vielfältige Bedingungen für die historische Versöhnung in Israel/Palästina bietet.
BASHIR BASHIR: Politikwissenschaftler; Außerordentlicher Professor im Fachbereich Soziologie, Politikwissenschaft und Kommunikation an der Open University of Israel und Senior Research Fellow am Van Leer Jerusalem Institute. Derzeit ist er Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin. Zu seinen Forschungsinteressen zählen Nationalismus und Citizenship Studies, Liberalismus, Demokratietheorie, Dekolonisierung, Politiken der Versöhnung und Alternativen zur Teilung in Palästina/Israel. Er ist Mitherausgeber von »The Holocaust and Nakba: A New Grammar of Trauma and History« [2018] und »The Arab and Jewish Questions: Geographies of Engagement in Palestine and Beyond« [2020].
THOMAS MEYER: Philosoph; Außerplanmäßiger Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Seine Forschungsschwerpunkte bilden die Ideen- und Philosophiegeschichte der griechischen Antike und des 20. Jahrhunderts mit einem Fokus auf Geschichts-, Kultur- und politischer Philosophie. Er ist Herausgeber der Werke Hannah Arendts im Piper Verlag und edierte 2024 in »Über Palästina« zwei bisher unbekannte Texte von und mit Arendt zum Thema. Zudem erschien 2023 seine vielbeachtete Biographie Hannah Arendts. Meyer veröffentlichte darüber hinaus zahlreiche Bücher, Aufsätze, Radio-Essays und Zeitungsartikel zur Ideengeschichte des 20. Jahrhunderts.
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Zeit
19. Juni 2025 19:15 - 20:45(GMT+02:00)