Mosse Lectures: Hannah Ahlheim
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mit Lothar Müller Der Mensch verschläft ein Drittel seines Lebens – und damit verbringt er einen großen Teil seiner Zeit unproduktiv und ohne Bewusstsein. Schlaf
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mit Lothar Müller
Der Mensch verschläft ein Drittel seines Lebens – und damit verbringt er einen großen Teil seiner Zeit unproduktiv und ohne Bewusstsein. Schlaf sperrt sich gegen Ausbeutung und Kontrolle. Wie geht eine moderne Gesellschaft, in der Rationalität und effiziente Zeitnutzung eine zentrale Rolle spielen, mit diesem widerspenstigen Phänomen um? Wie hat sich unser Verhältnis zum Schlaf durch Industrialisierung, Urbanisierung und Globalisierung, durch neue Lichtquellen, dauerwache technische Geräte und wissenschaftliche Vermessung verändert? Was erfahren wir über das Funktionieren einer Gesellschaft, wenn wir ihren Schlaf erforschen?
Der Vortrag begleitet Soldaten, DJs und Piloten, Schlafforscher:innen und Schlafende durch ihre Nächte. Dabei zeigt er auf, wie sich das Verständnis des schlafenden und träumenden Menschen im Laufe des »langen 20. Jahrhunderts« veränderte und der Schlaf auf unterschiedliche Weise zu einer wertvollen „Ressource“ wurde.
HANNAH AHLHEIM: Historikerin und Professorin für Zeitgeschichte an der Justus-Liebig-Universität Gießen; Ahlheim war u.a. wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam und von 2017-2018 Fellow des Instituts für die Geschichte und Zukunft der Arbeit am IGK Arbeit und Lebenslauf in globalgeschichtlicher Perspektive (re:work) der Humboldt-Universität; sie forscht zur Geschichte des Nationalsozialismus, zur Geschichte des Antisemitismus, zum Unbewussten in der Geschichte des 20. Jahrhunderts und zur Geschichte von Schlaf und Zeit; ihre Studie »Der Traum vom Schlaf im 20. Jahrhundert« erschien 2018 im Wallsteinverlag.
Mosse Lectures Wintersemester 2023/24: Sleep Modes. Über Wachen und Schlafen
Mit verlässlicher Regelmäßigkeit nimmt der Mensch sich raus aus der Welt; ein Drittel seines Lebens verbringt er schlafend. Während dieser Zeit sind wir wie „ungeboren“, schreibt Sigmund Freud einmal. „Jedes Erwachen ist dann wie eine erneute Geburt.“ Und umgekehrt, so ließe sich hinzufügen: Mit jeder Geburt beginnt eine lebenslange Beziehung zu Schlaf und Erwachen. Dass diese Beziehung aber weder nur „natürlich“ noch komplikationsfrei verläuft, sondern aufs Engste an die Schlafkulturen ihrer jeweiligen Zeit gebunden ist, offenbart ein Blick in die Geschichte des Schlafs. Wie schon Kinder an einen alltagstauglichen Schlafrhythmus herangeführt werden, was man sich unter einem guten bzw. gesunden Schlaf vorstellt, wie mit Schlafstörungen umgegangen und Schlaf medizinisch überwacht und gefördert wird, unterliegt historisch veränderlichen Vorzeichen.
Spätestens im ausgehenden 19. Jahrhundert rückte der Schlaf in den Fokus der kollektiven Aufmerksamkeit: Infolge einer Reihe gesellschaftlicher Umbrüche, unter anderem die Mechanisierung der Arbeit und die Erfindung des elektrischen Lichts, wurde die Einteilung in Tagwerk und Nachtruhe prinzipiell obsolet – gearbeitet werden konnte nun theoretisch zu jeder Zeit. Schlaf erschien vor diesem Hintergrund als eine befragenswerte Notwendigkeit, die es zu verstehen, beforschen, optimieren oder auch zu überwinden galt. Die in dieser Zeit von Unternehmern, Ärzten und Schlafforschern angestoßene Vermessung und Ökonomisierung des Schlafs (Hannah Ahlheim) setzt sich bis heute fort, wobei sie zunehmend zu einer Selbsttechnik avanciert ist: Mithilfe spezieller Apps können wir den Rhythmus und die Qualität unseres Schlafs präzise überwachen; online abrufbare Schlafmeditationen sollen uns beim Einschlafen helfen; gegen nächtliche Unruhe stehen Arzneimittel und Schlaftherapien bereit.
Im Wintersemester 2023/24 möchten die Mosse Lectures die ökonomische, kulturelle und politische Bedeutung des Schlafs und seiner Gegenspielerin, der Schlaflosigkeit erkunden: Woher rührt die ungebrochene Faszination am Schlaf und welche Herausforderungen sind nach wie vor mit seiner wissenschaftlichen und künstlerischen Erkundung verbunden? Wie wurde Schlaf politisch metaphorisiert und welche Rolle spielt er für Erzählungen individueller und politischer Handlungsversäumnisse? Unter welchen Umständen kann Schlaf wiederum zu einem emanzipativen Akt des Widerstands gegenüber den Anforderungen einer Gesellschaft werden, die auf größtmögliche Leistungsbereitschaft und Effizienz ausgerichtet ist?
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Zeit
30. November 2023 19:15 - 20:45(GMT+01:00)