Polemik: Eine verschwundene Form?

Do18Jul(Jul 18)10:00Fr19(Jul 19)15:00Polemik: Eine verschwundene Form?Seminarleitung Magnus KlaueVeranstaltungsartWorkshop

Details

»Polemisch« bezeichnet in der gegenwärtigen öffentlichen Wahrnehmung oftmals keine genuine literarische Form mehr, sondern ist zum Titel für einen bestimmten rhetorischen Gestus geworden. Texte, die sich ihrem Gegenstand konfrontativ, spöttisch oder überspitzt nähern, werden durch dieses Attribut entweder besonders goutiert oder abgelehnt, eben weil sie »polemisch« seien. Immer aber scheint damit eine moralische Wertung verbunden zu sein. Polemik ist in dieser Wahrnehmung sowohl eine sprachliche Qualität, die vor allem im Gegensatz zur Sachlichkeit, Nüchternheit und Ausgewogenheit gesehen wird, wie auch – auf paradoxe Weise – ein Ausweis von Harmlosigkeit: Darin, dass Polemik überspitzt und nicht in derselben Weise ernst zu nehmen sei wie unpolemische, diskursiv argumentierende Textformen, sind sich ihre Gegner wie Verteidiger zumeist einig.

Das Seminar soll zum einen den historischen und sozioökomischen Gründen für den Zerfall des Begriffs der Polemik nachgehen und zum anderen anhand spezifischer Textsorten und Genres (Glosse, Feuilleton, Verriss) in Erinnerung rufen, dass polemisches Schreiben eine eigene Gattungs- und Stilgeschichte hat, die kennen muss, wer sich mit dem heutigen Stand der Polemik beschäftigt. Hierfür werden Beispiele elaborierter polemischer Formen aus der Epoche der Berliner (Kurt Tucholsky, Irmgard Keun) und Wiener (Karl Kraus, Joseph Roth) Moderne herangezogen. Anhand des aktuellen Stands polemischen Schreibens etwa in Texten von Henryk M. Broder und Stefanie Sargnagel soll dann gefragt werden, was bei der Transformation von Polemik als Form zum journalistischen Format verloren gegangen ist.

  • Termine: 18. und 19.07., 10-15 Uhr
  • Anmeldung: per Mail an campus@lfbrecht.de. Die Teilnahme ist kostenlos.
  • Die Teilnehmer*innenzahl ist begrenzt.
  • Die Texte werden über einen Reader zur Verfügung gestellt.
  • Der Workshop gehört zum Programm der lfb school

Magnus Klaue studierte an der Freien Universität Berlin, wo er von 2003 bis 2008 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Neuere Deutsche Literatur war. 2008 wurde er mit einer Arbeit über Else Lasker-Schüler promoviert. Zwischen 2008 und 2015 arbeitete er als freier Autor, Lektor und Redakteur der Wochenzeitung »Jungle World«. Von 2015 bis 2020 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Leipziger Simon-Dubnow-Institut für jüdische Geschichte und Kultur. Er schreibt für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften, u.a. »Welt« und »F.A.Z.«, und arbeitet an einer Studie über Max Horkheimer.

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Zeit

18. Juli 2024 10:00 - 19. Juli 2024 15:00(GMT+02:00)

Literaturforum im Brecht-Haus

Chausseestraße 125, 10115 Berlin

Literaturforum im Brecht-Haus